Für Schiffahrt und Häfen im Elbstromgebiet
☰01. Juni 2018
Ein Jahr nach Verabschiedung des Gesamtkonzeptes Elbe (GK Elbe) nutzten mehr als 120 Teilnehmer am 24. Mai die Möglichkeit, sich auf dem Elbschifffahrtstag 2018 in Wittenberge über den aktuellen Stand der Umsetzung zu informieren. Dabei stand jedoch nicht nur die Elbe, sondern das gesamte Elbstromgebiet im Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen. Um die Aufmerksamkeit der Verkehrspolitik für dieses Gebiet zu schärfen, wurde auf dem Elbschifffahrtstag eine gemeinsame Erklärung von acht Wirtschaftsverbänden vorgestellt, die Forderungen und Vorschläge zur „Ertüchtigung der Wasserstraßen im Elbe-Oder-Stromgebiet“ beinhaltet. Neben einem Forderungskatalog für die Verbesserung des Wasserstraßennetzes zwischen Elbe-Seitenkanal und Oder wird auch die Bereitschaft aller Verbände und ihrer Mitglieder betont, sich aktiv in die Prozesse – wie zum Beispiel die Erarbeitung des Masterplans Binnenschiff - einzubringen.
Ines Jesse, Staatssekretärin im Brandenburger Verkehrsministerium, betonte in ihrem Grußwort, dass die Elbe für das Bundesland unverzichtbarer Teil der Verkehrsinfrastruktur ist. „Wir wollen den Güterverkehr auf der Elbe erhöhen“ betonte Jesse und verwies darauf, dass sich das Land nicht nur auf die Verbesserung der Infrastruktur durch den Bund als Eigentümer der Wasserstraße verlässt. „Gemeinsam mit Hamburg und Sachsen-Anhalt haben wir in einer Studie untersuchen lassen, welche Chancen Digitalisierung zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Verkehrsträgers bietet.“ Echtzeitinformationen für die Schiffer ermöglichen eine bessere Ausnutzung der vorhandenen Fahrrinne, AIS (Automatic Identification System)-Informationen eine Verkehrssteuerung, die Verknüpfung von Informationen eine effektivere Logistikkette.
Der Bürgermeister von Wittenberge, Dr. Oliver Hermann, begrüßte den Elbschifffahrtstag nunmehr zum zweiten Mal in seiner Stadt. Seit dem letzten Elbschifffahrtstag 2010 hat sich einiges bewegt, allerdings ist man bei der Ertüchtigung der Elbe über einen gemeinsamen Konsens, den das GK Elbe darstellt, noch nicht recht hinausgekommen. „Es fehlt mir die Aufbruchsstimmung der 90er Jahre beim Ausbau der Infrastruktur“ bemängelt Hermann. „Wir erwarten nicht nur eine schnelle Umsetzung des GK Elbe, sondern auch die Fertigstellung des Lückenschlusses der A14 und damit eine bessere Anbindung der Prignitz an wichtige Wirtschaftszentren.“ Schließlich sind Land, Stadt und private Investoren in Vorleistung gegangen, um mit dem Hafen Wittenberge ein leistungsfähiges Logistikzentrum für die Wirtschaft zur Verfügung zu stellen – ein Angebot, welches heute bereits nicht mehr ausreicht. „Die Entscheidung, neben dem Wasseranschluss großzügige Gleisanlagen zu bauen, hat sich aufgrund der schlechten Fahrbedingungen auf der Elbe als extrem wichtig erwiesen und wird von der Wirtschaft sehr gut angenommen“ betonte Hermann weiter.
Das Programm und inhaltliche Schwerpunkte des Elbschifffahrtstages stellte Stefan Kunze, Vorstandsvorsitzender vom veranstaltenden Elbe Allianz e. V., in seinem Eröffnungsbeitrag vor. Auch er unterstrich, dass das GK Elbe schnellstmöglich umgesetzt werden muss. Dabei geht es neben den zwei Großvorhaben im Bereich der Erosionsstrecke zwischen Riesa und Saalemündung und der Reststrecke zwischen Dömitz und Hitzacker auch um kleine Maßnahmen. Mit diesen könnten Verbesserungen für die Schifffahrt erreicht und gleichzeitig ständige Eingriffe in den Fluss durch Baggerungen reduziert oder vermieden werden. Damit könne das Binnenschiff auch wieder besser in Transportketten eingebunden werden. „Ein gutes Beispiel für die Verknüpfung der Verkehrsträger sind die Containerverkehre zwischen Hamburg und Binnenhäfen, auf denen je nach Eilbedürftigkeit sowohl Binnenschiff, Bahn als auch Lkw eingesetzt werden“ erläuterte Kunze. Flussläufe bieten die Möglichkeit, mit relativ geringen Investitionen aus Flüssen leistungsfähige Transportwege mit geringem Flächenverbrauch zu gestalten. „Dieser Weg wurde intensiv seit dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts auch für die Elbe begangen. Zusätzlich zu den bereits weit vorher stattgefundenen Maßnahmen zur Ufersicherung und Fixierung des Flusslaufes wurden dann auch nautische Aspekte stärker berücksichtigt“. Mit dem GK Elbe wurde dieser Weg wieder aufgenommen, begrüßt Kunze. Im Anschlussprozess, bei dem Elbe Allianz gemeinsam mit anderen Fachverbänden aktiv mitarbeiten wird, seien jedoch noch viele Hürden zu überwinden. In anderen Bereichen des Wasserstraßennetzes gibt es deutlich bessere Fortschritte. „Mit der Aufnahme der Schleuse Lüneburg, mit der ein Engpass im Elbe-Seitenkanal behoben werden soll, und dem Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals als wichtigste Verbindung des Stromgebietes zur Ostsee in den Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) sind wichtige Vorhaben auf den Weg gebracht worden“ betonte Kunze. Besonders wichtig sei die personelle Ausstattung für beide Projekte, die für beide Vorhaben im Gegensatz zum GK Elbe inzwischen auch untersetzt ist.
Im ersten Themenkomplex wurde über den Anschlussprozess des GK Elbe diskutiert. Thomas Gabriel stellte als Vertreter der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung die aktuelle Entwicklung dar. Er musste allerdings einräumen, dass aufgrund der langen Koalitionsverhandlungen noch keine Freigabe von Haushaltsmitteln für Ingenieurpersonal für das GK Elbe erfolgt ist. Daher müssen mit den vorhandenen, sehr geringen Kapazitäten die wichtigsten Prozesse angeschoben werden. Aktuell steht das Projekt Klöden als Pilotprojekt im Vordergrund, da hier bereits umfangreiche Vorarbeiten erfolgt sind. Die ersten sichtbaren Veränderungen würden dann also im Bereich der Erosionsstrecke erfolgen. Für die sogenannte Reststrecke werden aktuell die Anforderungen für eine Studie erarbeitet, die die Möglichkeiten und Varianten für einen ökologisch verträglichen und für die Schifffahrt wichtigen Ausbau dieses Engpasses untersuchen soll. Christoph de Vries, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Elbe der CDU-Fraktion des Deutschen Bundestages, gab sich zuversichtlich, dass die Personalanforderungen für die Elbe schrittweise umgesetzt werden und damit eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung des GK Elbe besteht. „Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, mit dem Arbeitskreis Elbe der SPD fanden bereits mehrere Gespräche statt, wir werden uns aktiv für die Umsetzung der Beschlüsse einsetzen“ versprach de Vries.
Dass mit eher kleinteiligen Lösungen große Effekte erzielt werden können, erläuterte Hubert Finke, Wittenberger Vorstandsmitglied des Vereins. Mit langjähriger Erfahrung im Wasserbau in der Region konnte er auf viele Beispiele verweisen, die einen positiven Einfluss auf die Verbesserung der Fahrverhältnisse haben. „Die Lösung besteht darin, die für die jeweiligen Stellen optimale Lösung zu finden. Intelligente Instandsetzung von Buhnen unter Berücksichtigung der aktuellen Abflussverhältnisse, Veränderungen der Buhnenköpfe oder Gestaltung als Knickbuhnen, Öffnung von Buhnen im Bereich des Landanschlusses oder auch neue Materialien bieten die Möglichkeit, umweltschonend die Elbe zu gestalten“ erklärt Finke. „Diese Maßnahmen fördern teilweise sogar die Biodiversität“.
Die Umwelt stand dann im Mittelpunkt des Vortrages von Rocco Buchta, der als Vertreter des NABU ebenfalls im GK Elbe mitarbeitet. Seine Vorstellungen für einen behutsamen Ausbau der Elbe erläuterte er am Beispiel der Renaturierung der unteren Havel, die bereits jetzt eine starke ökologische Aufwertung erhalten hat. Maßnahmen aus diesem Projekt könnten als Beispiel für die Elbe dienen, auch wenn für diesen Strom andere Rahmenbedingungen für die schifffahrtliche Nutzung bestehen, wie Buchta einräumte. Dennoch sei er zuversichtlich, dass die Umsetzung der Leitlinien des GK Elbe große Chancen sowohl für Umwelt als auch Wirtschaft bietet.
Eine europäische Sicht auf die Problematik eröffnete Lubomir Fojtu, Direktor der Tschechischen Wasserstraßendirektion. „Wir erwarten eine schnelle Umsetzung des GK Elbe, damit die Unternehmen der Tschechischen Republik einen zuverlässigen Zugang über den Wasserweg zu ihren Märkten erhalten“. Vor diesem Hintergrund steht auch die Entscheidung der Regierung seines Landes für die Staustufe Decin. „Wir sind zuversichtlich, dass die überarbeitete Umweltverträglichkeitsprüfung für das Projekt und die Beurteilung, dass das Projekt für die Gesamtentwicklung unseres Landes von vorrangiger Bedeutung ist, zu einem zeitnahen Baustart führen wird“ so Fojtu weiter.
Im zweiten Themenkomplex stellte Jochen Kies als Vertreter des Bundesverkehrsministeriums den Stand der Planungen in anderen Wasserstraßenbereichen vor. Die genannten Vorhaben im Elbe-Seitenkanal und Elbe-Lübeck-Kanal sind auf einen guten Weg gebracht worden, im Bereich der Saale wird durch Schleusenreparaturen der Schifffahrtsweg gesichert. Für das gesamte Elbstromgebiet ist die vorgesehene Instandsetzung der Schleuse Geesthacht von herausragender Bedeutung. In der anschließenden Diskussion ließen Verbandsvertreter jedoch noch weitere Bedarfe erkennen. So stelle neben dem Schiffshebewerk Scharnebeck mit seiner für moderne, marktübliche Schiffe nicht mehr ausreichenden Troglänge auch die Schleuse Uelzen einen potentiellen Engpass dar. Bei Ausfall der Schleuse gäbe es keine Umfahrungsmöglichkeiten mit Ausnahme der Elbe, betonte Martin Exner für das Bündnis Elbe-Seitenkanal. Daraus resultiert aber auch die Notwendigkeit einer Ertüchtigung der Elbe, da nur in einem intakten System nennenswerte Transportverlagerungen stattfinden können. Dabei geht es jedoch nicht nur um einen Bypass, sondern auch um Möglichkeiten zum dreilagigen Containerverkehr oder dem Transport von Großkomponenten, so Exner weiter. Für die Arbeitsgemeinschaft Elbe-Lübeck-Kanal erläuterte Rüdiger Schacht, IHK Lübeck, die Potentiale für den Lübecker Hafen und die Region. Mit dem Ausbau steht dann für die Wirtschaft im Elbstromgebiet eine schnelle und leistungsfähige Verbindung zur Ostsee zur Verfügung
Der Präsident des Vereins zur Hebung der Saaleschifffahrt, Martin Sprinzek, konstatierte in seinem Beitrag, dass die Bemühungen seines Vereins für die Saale zwar noch nicht zum Bau des sogenannten Saale-Seitenkanals geführt haben, dieses Projekt jedoch im weiteren Bedarf des BVWP aufgenommen wurde. Jedoch sei ein Ausbau der Saale nicht von einer leistungsfähigen Wasserstraße Elbe zu trennen. Vor diesem Hintergrund wurde im Verein beschlossen, die Saaleaktivitäten künftig innerhalb des Elbe Allianz e. V. zu vertreten und damit eine Bündelung der Kräfte beider Vereine zu erzielen.
Im abschließenden Themekomplex standen Verbesserungen im technisch/technologischen Bereich im Vordergrund. Dabei wurden Möglichkeiten vorgestellt, mit denen die Binnenschifffahrt bereits heute besser mit den vorhandenen – und sich verbessernden – Rahmenbedingungen im Markt bestehen kann. Dabei stellte der Verfasser der Studie „Elbe 4.0“, Prof. Dr. Jan Ninnemann, die grundsätzlichen Möglichkeiten einer Digitalisierung dieses Verkehrsträgers im Elbstromgebiet vor. Bereits heute sind erste Binnenschiffslinien daten- und steuerungstechnisch mit den Containerterminals des Hamburger Hafens direkt verbunden, wie der Geschäftsführer der Hamburg Vessel Coordination Center GmbH, Gerald Hirt, den aktuellen Zustand beschrieb. „Mit weiteren Reedereien laufen intensive Gespräche und Untersuchungen, wie möglichst alle Containerlinien in das System integriert werden können“ so Hirt weiter. Große Potentiale sieht er in der Einspeisung von Daten aus den AIS/RIS-Systemen, da damit die Ankunftstermine sehr genau bestimmt werden können. Dass das in absehbarer Zeit realisierbar wird, versprach Nils Braunroth. Zuständig auch für den Bereich River Information Services (RIS) stellte er den Stand des Ausbaus der landseitigen Struktur für AIS vor, der bis Ende 2018 im Rahmen des europäischen RIS-COMEX-Programmes abgeschlossen sein wird. Mit der Vorstellung von Anwendungen für die Verbesserung Navigation sich daraus ergeben können, rundete er seinen Beitrag ab.
Eine technische Innovation oder fast Revolution stellte Prof. Gerd Holbach von der TU Berlin in seinem Beitrag zum Stand der Entwicklung des Schubbootes „Elektra“. Dabei handelt es sich um die Entwicklung eines Hybridantriebes mit Elektromotoren und intelligenter Schiffssteuerung. Dabei kommt die Energie aus Akkumulatoren, die während der Fahrt durch Wasserstoffverbrennung in Brennstoffzellen gewonnen werden kann. Alternativ könnte die Aufladung aber auch vom Land aus während der Liegezeiten erfolgen. Damit sei ein Einsatz auch auf der Relation Berlin-Hamburg realistisch – ein Projekt, dessen Prototyp durchaus bereits 2022 auf dieser Strecke zu sehen sein könnte.
Insgesamt konnte nach Abschluss des Elbschifffahrtstages 2018 festgestellt werden, dass nach jahrzehntelangem Stillstand wieder Bewegung in den Prozess der Ertüchtigung der Wasserstraßen im Elbstromgebiet gekommen ist. Das ist jedoch kein Selbstläufer, sondern erfordert ein ständiges Mahnen und die Mitarbeit der Verbände. Hervorzuheben ist daher die Bündelung von Aktivitäten aller Akteure, um die Forderungen der 2. Wittenberger Erklärung umzusetzen. Eine Zwischenbilanz wird im Jahr 2020 auf dem nächsten Elbschifffahrtstag gezogen werden.
Podiumsdiskussion Foto: Knoll